Cosi fan tutte - so machen es eben nicht alle!
Diese Inszenierung beweist, warum München manchmal besser ist als alle anderen Opernhäuser


Die Staatsoper selber nennt ihre „Cosi“ das Juwel ihres Mozart-Repertoires.
Und das zu Recht!
Der staatische, kammerspielartige Szenenaufbau lässt der Musik genug Raum, sich zu entfalten.

Dazwischen ein paar gut platzierte Lacher und erstaunliche Momente, fertig ist eine eindringlich schöne Cosi,

wie man sie nur selten zu sehen kriegt.



Die Inszenierung:


Im Grunde gibt es über die Inszenierung gar nicht so viel zu sagen.

Das soll aber keineswegs abwertend sein.

Dieter Dorn ist per se nicht bekannt für Materialschlachten oder gigantische Bühnenaufbauten.
Er ist eher Purist, den Münchnern seit 1976 wohl vertraut als Dauerbrenner der Münchner Kammerspiele.


Und, die Vermutung liegt nahe, wer so lange an den Kammerspielen gearbeitet hat,

der entwirft auch auf der Opernbühne ein ähnliches Szenario.

Die Szenenbilder sind klar, unprätentiös und eindeutig.

Groß rum-interpretieren braucht man hier nicht.


Der Bühnenraum in seiner überwältigenden Größe wird Ehrfurcht einflößend gut ausgenutzt,

manchmal erscheint er fast karg und öd.

Das allerdings erfordert von den schauspielenden Sängern eine enorme Bühnenpräsenz.

Sie müssen es schaffen, im übergroßen Raum den Blick des Zuschauers in ihren Mikrokosmos

zu zwingen: die Geschichte, die inneren Zerwürfnisse, das liebende Drama

darzustellen, ganz ohne Firlefanz.

Dabei gäbe die Cosi alles her, für eine aufwändige Bühnenshow, man denke nur an die
berühmte Bolshoi-Inszenierung der frühen 1980‘er Jahre:
üppige Kostüme, verschwenderische Kulissen...

Alles unnötig, findet Dorn und stellt höchstens mal einen nackten Baum auf die
Bühne. Ein bisschen Lichtregie dazu, fertig.


Für Mozart-Aufführungen gibt es einen interessanten Gradmesser: Die Japaner.

Kaum ein anderer Komponist wird so geliebt von den extrem kritischen Touristen
wie Mozart. Und so ist es typisch für die Münchner „Cosi fan Tutte“, dass

scharenweise, ach was: busladungsweise Japaner vor der Tür der Staatsoper ausgepackt werden,

die den Zuschauerraum bevölkern. Und sie sind kritisch, diese Mozart-Kenner.

Als sich der Vorhang hebt und die erste Szene läuft, sollte man die

fremdländischen Sitznachbarn im Auge behalten.
Sie sind nicht wenig verwirrt ob der Kargheit. Wo ist denn der Mozartübliche Kitsch?
Die großen Kostüme?
Die Enttäuschung ist fast greifbar. Aber, der japanische Operntourist ist ja Profi.

Erstmal abwarten und die Musik auf sich wirken lassen...


Das sollte auch der Einheimische dann wieder tun.

Denn, das Wunder gelingt.





















Foto:  ©  Wilfried  Hösl  /  Bayerische  Staatsoper ;  Alle  Rechte  vorbehalten



Vor der Kulisse einer Tür und einiger bloßen Heizungskörper entfaltet sich ein wunderbares, szenisches
Spektakel.

Immer intimer werden die Momente, immer mehr engt sich der Blick des Zuschauers auf die Handlung ein.

Oper so pur, wie man sie selten sieht, fast erleben wir eine konzertante Aufführung.

Aber so ganz verkneifen kann sich Dieter Dorn die in den Kammerspielen so beliebten

humoristischen Einlagen dann leider doch nicht.

Als der Tenor sein wunderbares „Un aura amorosa“ singt, lässt er sich

auf die Knie fallen und entledigt sich dabei langsam seiner Verkleidung.

Für einen Moment verschwindet der Bühnenraum um ihn herum und man meint,

dem jungen Liebenden bis auf den Grund seiner Seele blicken zu können.

Irgendwo im Publikum rinnt einer sonst so beherrschten alten japanischen Dame eine Träne

über die Wange.
Aber dann schlägt Dorn zu: Mitten im schönsten Gefühlsschwang reißt er den

Zuschauer aus der Konzentration – der Bariton darf sich in Leibesertüchtigungen neben dem

knieenden Tenor ergehen und ein paar Kniebeugen absolvieren.

Sinnfrei, unlustig und absolut störend.


Ähnliches während der großen Sopran-Arie „Come il scolgio“, ebenfalls im ersten Akt:

Die wütende Fiordiligi regt sich darüber auf, dass fremde Männer in ihrem Haus um ihre Gunst buhlen.

Ein wichtiger Moment, der zeigen soll, wieviel standhafter Fiordiligi ist als ihre Schwester Dorabella.

Und nebenbei eine großartige Mozart-Arie.

Aber Dieter Dorn nimmt der Fiordiligi all ihre Standhaftigkeit und lässt sie völlig unmotiviert ein paar

Stühle auf der Bühne herumrücken, die um einen Tisch verteilt stehen.


Es sind immer wieder solche kleinen Animositäten, die der Musik im Wege stehen.
Nun mag es sein, dass die Regie hier versucht, kitschige Momente zu verschlanken.

Der Effekt ist aber ein anderer: Man ist genervt.

Ein Purist wie Dieter Dorn sollte eben puristisch bleiben.

Plötzlicher Aktionismus an der falschen Stelle irritiert nicht nur die Japaner im Zuschauerraum.



Erst im zweiten Akt wird die Inszenierung präziser.

Störende Momente sind seltener, und wenn, dann nehmen sie gewollt humoristischen Volldampf auf,

soll heißen: Wenn schon neben der Spur, dann so richtig.

Das gipfelt in der großen Arie des Guglielmo:
Der Bariton schreitet über einen Laufsteg über die Köpfe des Orchesters hinweg Richtung Zuschauerraum

und balanciert, tänzelt und singt diesseitig des Orchestergrabens direkt vor der ersten Reihe.

Immer wieder unterbricht er seine Arie um die Wirkung dieser Interaktion auf das Publikum wirken zu lassen,

verteilt Kußhände und Grimassen, greift einmal sogar zur Tic-Tac-Packung einer älteren Dame in der

Front Row und gönnt sich unter tosendem Gelächter eine Atempause.

Und, siehe da:

Die Japaner sind glücklich.

Es wird gelacht, geklatscht und anerkennend genickt.

Ja, diese Cosi ist simpel, aber effektiv.

Und sie ist tatsächlich das Juwel des Münchner Mozart-Repertoires.




























Foto:  ©  Wilfried  Hösl  /  Bayerische  Staatsoper ;  Alle  Rechte  vorbehalten
















 

Mozarts Cosi fan tutte
in der Bayerischen Staatsoper

3 von 5 Operngläsern
Prädikat: Sehenswert!

+ + + Leider wird diese Inszenierung derzeit in München nicht mehr gezeigt +++ Ein Verlust! +++

Foto:  ©  Wilfried  Hösl  /  Bayerische  Staatsoper ;  Alle  Rechte  vorbehalten